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Neue Arbeitsformen „Remote Work“ und „Workation“ (Teil II: Wichtige steuer- und sozialversicherungsrechtliche Aspekte)

In dem vorherigen Beitrag haben wir die neuen Arbeitsformen begrifflich eingeordnet sowie arbeits- und datenschutzrechtliche Aspekte dargestellt. In diesem Artikel werden nun des Gesamtbeitrags die steuer- und sozialversicherungsrechtlichen Konsequenzen näher betrachtet. 

Steuerrechtliche Anforderungen und Risiken

Lohnsteuerabzug

Das Besteuerungsrecht für Lohneinkünfte steht grundsätzlich dem Land zu, in dem die Arbeit ausgeübt wird (=Tätigkeitsstaat). Bei Workation/Remote-Arbeit wäre dies hiernach der ausländische Tätigkeitsort. 

Abweichungen können sich durch Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) ergeben. Wird ein Arbeitnehmer nur kurzfristig bzw. vorübergehend im Ausland eingesetzt, bleibt es nach vielen deutschen DBA dann beim Besteuerungsrecht des Wohnsitzstaats, wenn

  • sich der im Inland ansässige Arbeitnehmer insgesamt nicht länger als 183 Tage während des jeweiligen Steuerjahres oder während eines 12-Monatszeitraums im ausländischen Tätigkeitsstaat aufhält bzw. dort tätig ist und
  • die Vergütungen von einem oder für einen Arbeitgeber gezahlt werden, der nicht im Tätigkeitsstaat ansässig ist, und
  • die Vergütungen nicht einer Betriebsstätte oder festen Einrichtung zuzuordnen sind, die der Arbeitgeber im Tätigkeitsstaat hat.

Ob für die Berechnung des 183-Tage-Zeitraums das Kalenderjahr, das hiervon abweichende Steuerjahr oder ein 12-Monatszeitraum zugrunde zu legen ist und ob es auf die Aufenthalts- oder Tätigkeitsstage ankommt, normiert das jeweilige DBA.

Im Hinblick auf die Abführung der Lohnsteuer ist somit in einem ersten Schritt zu klären, ob der Arbeitnehmer nur temporär aus dem Ausland für seinen deutschen Arbeitgeber arbeiten will oder ob er dauerhaft ins Ausland verzieht und in Deutschland seinen Wohnsitz und dauerhaften Aufenthalt aufgibt. Im ersten Fall wäre die 183-Tage-Regelung anwendbar und – vorausgesetzt die weiteren Voraussetzungen sind erfüllt – der deutsche Arbeitgeber kann die Lohnsteuer in Deutschland abführen. Denn in Deutschland ist der inländische Arbeitgeber zur Abführung der Lohnsteuer verpflichtet, solange der Arbeitnehmer aus in Deutschland ausgeübter oder verwerteter Tätigkeit beschränkt steuerpflichtig ist. 

Gibt der Arbeitnehmer hingegen seinen Wohnsitz und dauerhaften Aufenthalt in Deutschland auf, obliegt das Besteuerungsrecht dem Tätigkeitsstaat und der deutsche Arbeitgeber muss ggf. die Lohnsteuer im Tätigkeitsstaat abführen bzw. den Arbeitnehmer verpflichten, diese selbst abzuführen, wenn das entsprechende nationale Recht dies zulässt.

Betriebsstättenrisiko

Mit der Tätigkeit eines Arbeitnehmers im Ausland besteht die Gefahr, dass das deutsche Unternehmen im Tätigkeitsstaat eine Betriebsstätte begründet. Dies kann zur Folge haben, dass der zuzuordnende Gewinn des Unternehmens aus der Workation-Tätigkeit der Besteuerung des Tätigkeitsstaats unterfällt und zudem Registrierungs-, Erklärungs-, Buchführungs- sowie sonstige Aufzeichnungs- und Dokumentationspflichten im Tätigkeitsstaat entstehen können.

Empfehlung: Das Risiko der Begründung einer Betriebsstätte sollte im Einzelfall von Steuerberatern aus dem Tätigkeitsstaat geprüft werden. Hierbei ist das internationale PKF-Netzwerk gerne behilflich.

Sozialversicherungsrecht

Maßgebliche Sozialversicherungsvorschriften

Grundsätzlich unterliegen Arbeitnehmer den Sozialversicherungsvorschriften ihres Tätigkeitsstaats. Dies gilt auch bei dauerhaft mobiler Arbeit aus dem Ausland. Von diesem Grundsatz gibt es folgende Ausnahmen: 

  • Der Arbeitnehmer wird vom Arbeitgeber ins Ausland entsandt und die Entsendung dauert nicht länger als 24 Monate.
  • Der Arbeitnehmer ist in mehreren ausländischen Staaten tätig. 

Entsendung

Eine Entsendung liegt vor, wenn sich ein in Deutschland beschäftigter Arbeitnehmer auf Weisung seines Arbeitgebers in ein anderes Land begibt, um dort eine Arbeit für dessen Rechnung auszuführen. Wesentlich ist, dass sowohl vor als auch nach der Auslandsbeschäftigung eine Anbindung zum deutschen Recht besteht. Dies bedeutet, dass der Lebensmittelpunkt des Arbeitnehmers vor der Entsendung ins Ausland in Deutschland bestanden hat und eine Perspektive für eine anschließende Weiterbeschäftigung nach der Auslandsbeschäftigung besteht. Weiterhin darf der Arbeitnehmer nicht zum Zwecke der Entsendung eingestellt worden sein und/oder keinen Arbeitnehmer ersetzen, der vor ihm entsandt wurde. 

Hinweis: Ob Workation/Remote Work als Entsendung gilt, ist umstritten und höchstrichterlich nicht geklärt. Wenn allerdings dargelegt werden kann, dass die Arbeit aus dem Ausland nicht nur auf Wunsch des Arbeitnehmers erfolgt, sondern auch im Interesse des Arbeitgebers liegt, dürfte eine Entsendung angenommen werden können. 

Beschäftigung in mehreren Staaten

Das deutsche Sozialversicherungssystem ist auch dann weiterhin anwendbar, wenn der Arbeitnehmer einen Wohnsitz in Deutschland beibehält und er zu mindestens 25% seiner Arbeitszeit noch in Deutschland arbeitet. Die restlichen 75% der Arbeitszeit könnte er dann remote aus dem Ausland für den deutschen Arbeitgeber tätig werden. Maßgeblich ist die voraussichtliche Sachlage in den folgenden 12 Kalendermonaten.

Neues Rahmenabkommen

Zum 1.7.2023 ist ein multilaterales Rahmenübereinkommen in Kraft getreten. Beschäftigte können unter bestimmten Voraussetzungen bis zu 49,99% der Gesamtarbeitszeit als grenzüberschreitende Telearbeit erbringen, dennoch gilt das Sozialversicherungsrecht des Mitgliedstaats, in dem der Arbeitgeber ansässig ist. Mit „grenzüberschreitender Telearbeit“ ist eine Tätigkeit gemeint, die ortsunabhängig, d.h. sowohl in den Räumlichkeiten des Arbeitgebers als auch überall sonst auf der Welt unter Einsatz von Informationstechnologie erbracht werden kann. Kunden- und Messebesuche zählen somit nicht dazu. 

Hinweis: Das Rahmenübereinkommen kann nur dann in Anspruch genommen werden, wenn dieses sowohl vom Wohnstaat der beschäftigten Person als auch vom Staat des Arbeitgebersitzes unterzeichnet wurde. Deutschland hat das Übereinkommen unterzeichnet.

A1-Bescheinigung

Sofern das deutsche Sozialversicherungsrecht trotz Auslandseinsatz weiterhin anwendbar ist, muss eine sog. A1-Bescheinigung beantragt werden, um nachzuweisen, dass der Arbeitnehmer dem deutschen Sozialversicherungssystem unterliegt. Hilfe bei der A1-Bescheinigung bietet die Deutsche Verbindungsstelle Krankenversicherung – Ausland (DVKA).

Unterliegt der Arbeitnehmer hingegen dem Sozialversicherungssystem des Tätigkeitsstaats und hält sich des Öfteren in Deutschland auf (etwa am Sitz seines Arbeitgebers), sollte eine entsprechende Bescheinigung im Tätigkeitsstaat beantragt werden.

Empfehlung: Es empfiehlt sich, bereits vorab klare arbeitsvertragliche Regelungen zu schaffen. So sollten Arbeitszeit- und Arbeitsschutzregelungen, eine Rechtswahl und auch die Vorgaben nach dem Nachweisgesetz zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber schriftlich niedergelegt werden. Zudem bedarf insbesondere die Prüfung, welche nationalen Steuer- und Sozialversicherungsvorschriften anzuwenden sind, einer eingehenden Betrachtung. 

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