Ergänzung bisheriger Governance-Berichtspflichten
Zum Thema Governance bzw. Corporate Governance besteht bereits seit dem Jahr 2002 mit dem Deutschen Corporate Governance Kodex (DCGK) ein Rahmenwerk, das zumindest von börsennotierten Unternehmen über § 161 AktG verpflichtend zu beachten ist. Der DCGK definiert dabei Corporate Governance als den rechtlichen und faktischen Ordnungsrahmen für die Leitung und Überwachung eines Unternehmens. Die insoweit bereits bestehenden Governance-Berichtspflichten werden nun im Rahmen der Nachhaltigkeitsberichterstattung mit den ESRS-Vorgaben ergänzt.
Wie bereits an mehreren Stellen dieser Reihe ausgeführt, enthalten die ESRS zwölf Standards, davon zwei Querschnitt-Standards und zehn Themenstandards.
Der Bereich Governance wird von lediglich einem Themenstandard, dem ESRS G1, abgedeckt. Daneben enthält der Querschnittstandard ESRS 2 „Allgemeine Angaben“ berichtspflichtige Angaben zur Governance.
Allgemeine Angabepflichten gem. ESRS 2
Bereits mit dem allgemeinen Standard ESRS 2 ergeben sich folgende Governance-Berichtspflichten:
- ESRS 2 GOV-1: Die Rolle der Verwaltungs-, Leitungs- und Aufsichtsorgane
- ESRS 2 GOV-2: Informationen über Nachhaltigkeitsaspekte, mit denen sich die Verwaltungs-, Leitungs- und Aufsichtsorgane des Unternehmens befassen
- ESRS 2 GOV-3: Einbeziehung der nachhaltigkeitsbezogenen Leistung in Anreizsysteme
- ESRS 2 GOV-4: Erklärung zur Sorgfaltspflicht
- ESRS 2 GOV-5: Risikomanagement und interne Kontrollen der Nachhaltigkeitsberichterstattung
Im Governance-spezifischen Standard ESRS G1 festgeschriebene Anforderungen
Der „ESRS G1 – Unternehmenspolitik“ enthält zu Be-ginn einen Überblick über das Ziel des Standards und sein Zusammenspiel mit anderen ESRS. Demnach sollen die in ESRS G1 enthaltenen Anforderungen in Verbindung mit den Angabepflichten zur Governance (GOV), zur Strategie (SBM) und zum Management der Auswirkungen, Risiken und Chancen (IRO) gelesen werden, die im ESRS 2 vorgesehen sind.
Hinweis: Während aber der ESRS 2 von allen berichtspflichtigen Unternehmen zu beachten ist, unterliegt der ESRS G1 dem bekannten Wesentlichkeitsvorbehalt.
Der nachfolgend im Fokus stehende ESRS G1 adressiert Berichtspflichten zu acht Unterthemen (vgl. Tab. 1), von denen wiederum die ersten beiden noch an ESRS 2 anknüpfen und denen dann mit G1-1 bis G1-6 sechs spezifische Berichtsgegenstände folgen.
Eine Anlage rundet den Standard ab. Diese unterstützt die Anwendung der in ESRS G1 festgelegten Angabepflichten und hat die gleiche bindende Kraft wie die anderen Teile des Standards.
Näherer Einblick in den Standard ESRS G1
Nachfolgend werden einzelne Angabepflichten exemplarisch dargestellt.
G1-1 zur Kulturförderung
Nach ESRS G1-1 hat das Unternehmen seine Strategien in Bezug auf die verschiedenen Aspekte der Unternehmenspolitik anzugeben und zu erläutern. Es sind z.B. die Mechanismen zur Ermittlung, Berichterstattung und Untersuchung von Hinweisen hinsichtlich Verhaltensweisen, die in Widerspruch zu gesetzlichen Normen, einem Verhaltenskodex oder ähnlichen Regeln stehen, zu beschreiben.
Ferner hat das Unternehmen mitzuteilen, wie es Hinweisgeber schützt. Hierzu gehören auch Angaben zu den Maßnahmen zum Schutz vor Vergeltungsmaßnahmen gegenüber eigenen Arbeitnehmern. Wenn das Unternehmen über keine Strategien zur Bekämpfung von Korruption und Bestechung oder zum Schutz von Hinweisgebern verfügt, so ist dies anzugeben. Weiterhin ist mitzuteilen, ob solche Strategien eingeführt werden sollen und es ist ggf. ein entsprechender Zeitplan zu nennen.
Beispiel: Hinsichtlich der Unternehmenskultur können spezifische Anreize oder Instrumente für die eigenen Arbeitskräfte beschrieben werden, die kulturfördernd wirken.
G1-2 zu Lieferantenbeziehungen
Im ESRS G1-2 geht es um Informationen hinsichtlich des Managements der Beziehungen zu den Lieferanten und bezüglich der Auswirkungen auf die Lieferkette. Hierzu gehören eine Beschreibung der Strategie zur Vermeidung von Zahlungsverzug oder auch Informationen darüber, ob und wie soziale und ökologische Kriterien bei der Auswahl der Lieferanten berücksichtigt, überprüft und bewertet werden.
G1-3 zur Verhinderung von Korruption und Bestechung
Nach ESRS G1-3 sind Informationen über das System des Unternehmens vorzulegen, mit dem Anschuldigungen oder Vorfälle im Zusammenhang mit Korruption und Bestechung verhindert, aufgedeckt, untersucht und verfolgt werden, einschließlich entsprechender Schulungen. Verfügt das Unternehmen über keine entsprechenden Verfahren, so hat es dies anzugeben und ggf. seine Pläne für die Einführung solcher Verfahren darzulegen.
Beispiel: Hinsichtlich der in dem Bereich der Verhinderung und Aufdeckung von Korruption und Bestechung erforderlichen Schulungen sind Angaben zu Art, Umfang und Tiefe der Schulungsprogramme, die das Unternehmen anbietet oder verlangt, erforderlich.
G1-4: Aufgedeckte Korruptionsfälle
Während in ESRS G1-3 die Verfahren zur Verhinderung und Aufdeckung von Korruption und Bestechung im Vordergrund stehen, sind nach ESRS G1-4 Informationen über bereits eingetretene Vorfälle von Korruption oder Bestechung während des Berichtszeitraums vorzulegen, um hier Transparenz zu schaffen.
Beispiele: Hier sind die Anzahl der Verurteilungen und die Höhe der Geldstrafen für Verstöße gegen Korruptions- und Bestechungsvorschriften anzugeben.
G1-5: Politische Einflussnahme
Dieser Themenbereich adressiert Informationen über die Tätigkeiten und Verpflichtungen im Zusammenhang mit der politischen Einflussnahme des Unternehmens (inklusive seiner Lobbytätigkeiten) und über deren wesentliche Auswirkungen, Risiken und Chancen. Hierzu gehören z.B. Angaben über Zuwendungen an politische Parteien, ihre gewählten Vertreter oder auch an Personen, die ein politisches Amt anstreben.
Hinweis: Indirekte politische Zuwendungen, die über zwischengeschaltete Organisationen (z.B. NGOs) laufen, sind ebenfalls anzugeben, wenn damit bestimmte politische Parteien oder Anliegen unterstützt werden.
G1-6: Informationen über Zahlungspraktiken
Die Angabepflicht des ESRS G1-6 soll dem Interessenträger Informationen über die Zahlungspraktiken des Unternehmens und Einblicke in seine vertraglichen Zahlungsbedingungen vermitteln.
Beispiele: So sind u.a. Angaben erforderlich über die durchschnittliche Zeit, die ab dem Zeitpunkt der Zahlungsfrist benötigt wird, um eine Rechnung zu begleichen; auch über die Anzahl der anhängigen Gerichtsverfahren wegen Zahlungsverzugs ist zu berichten.
Fazit
Die in dem Beitrag gestartete und mit dem vorliegenden Teil VI nun abgeschlossene Reihe zur Nachhaltigkeitsberichterstattung hat gezeigt, dass diese Thematik eine sehr hohe Komplexität aufweist. Den direkt oder indirekt betroffenen Unternehmen, darunter vielen KMU, kann nur geraten werden, sich frühzeitig mit der Materie zu beschäftigen. Dass Banken in Finanzierungsgesprächen und Großunternehmen in ihren Lieferketten entsprechende Mitwirkungspflichten einfordern, ist bereits vielerorts gelebte Praxis.
Take-away
- Im Gegensatz zu den Bereichen Umwelt (E) und Soziales (S) wird der Bereich Governance (G) im Rahmen der ESRS von nur einem spezifischen Themenstandard abgedeckt.
- Neben dem Themenstandard ESRS G1 enthält auch der allgemeine Standard ESRS 2 konkrete Berichtspflichten zu Governance-Themen.
- Während die Angaben des ESRS G1 unter einem Wesentlichkeitsvorbehalt stehen, ist der ESRS 2 von allen berichtspflichtigen Unternehmen zu berücksichtigen.
- Neben Themen wie Korruption, Bestechung und Lobbyismus thematisiert der Standard ESRS G1 insbesondere auch die Beziehungen zu Lieferanten und Zahlungspraktiken des Unternehmens inkl. Zahlungsverzug.