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Versandhandel wird Fernverkauf, MOSS wird OSS, neue Lieferfiktion

Die Neuregelungen im Detail

Der bisherige innergemeinschaftliche Versandhandel wird durch den deutlich weiter gefassten Fernverkauf ersetzt. Damit einhergehend wird das Mini-One-Stop-Shop-Verfahren (MOSS) zu dem umfassenderen One-Stop-Shop-Verfahren (OSS) ausgebaut. Völlig neue Vorschriften werden für Fernverkäufe aus dem Drittland mit einem Sendungswert bis 150 € und für deren Besteuerung im sog. Import-One-Stop-Shop-Verfahren (IOSS) eingeführt. Erfolgt der Handel über Online-Marktplätze, werden die Online-Marktplatzbetreiber in bestimmten Fällen mit Drittlandsbezug fiktiv in die Lieferkette einbezogen (fiktive Reihengeschäfte).

Innergemeinschaftlicher Fernverkauf?

Der innergemeinschaftliche Fernverkauf (§ 3c Abs. 1 Satz 2 UStG, vgl. zur Definition den vorangehenden Beitrag) gilt als dort ausgeführt, wo sich die Ware bei Beendigung des Transports befindet (Bestimmungslandprinzip) – vorausgesetzt, der Händler überschreitet mit der Summe sämtlicher Fernverkäufe in anderen Mitgliedstaaten und der TRFE-Leistungen die neue EU-einheitliche Lieferschwelle von 10.000 € pro Kalenderjahr oder verzichtet auf deren Anwendung (§ 3c Abs. 4 UStG).

Hinweis: Der Händler muss somit nur noch die Überschreitung dieser einen Lieferschwelle kontrollieren. 

Dagegen entfällt die bislang erforderliche mühevolle Kontrolle der Überschreitung der länderspezifischen Lieferschwellen. Die Steuer auf die innergemeinschaftlichen Fernverkäufe kann der Händler zukünftig vierteljährlich zentral in seinem Ansässigkeitsstaat über das One-Stop-Shop-Verfahren (OSS) anmelden (§ 18j Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG). Dadurch bleibt ihm die sonst erforderliche umsatzsteuerliche Registrierung in sämtlichen Mitgliedstaaten erspart, in denen er Fernverkäufe ausführt. Die Anwendung des OSS setzt aber voraus, dass es für sämtliche relevanten Fernverkäufe und TRFE-Leistungen in der EU genutzt wird. 

Hinweis: Bei der Meldung im OSS kann der Händler zudem darauf verzichten, seinen Kunden Rechnungen auszustellen (§ 14a Abs. 2 Satz 2 UStG).

Fernverkauf aus dem Drittland

Variante 1

Erfolgt ein Fernverkauf in der Weise, dass Ware aus dem Drittland in einen Mitgliedstaat eingeführt wird, in dem der Warentransport endet – und wird die Warensendung im neu eingeführten Import-One-Stop-Shop (IOSS) gemeldet (monatlich!) –, gilt die Lieferung als in diesem Mitgliedstaat ausgeführt (§ 3c Abs. 3 Satz 1 UStG).

Die Anwendung des IOSS-Verfahrens ist auf Warensendungen (ggf. bestehend aus mehreren Gegenständen) bis zu einem Wert von höchstens 150 € beschränkt (§ 18k Abs. 1 Satz 1 UStG).

Hinweis: Ist der Händler in einem Drittland ansässig, mit dem kein Amtshilfeabkommen besteht, muss er für die Teilnahme am IOSS einen im Gemeinschaftsgebiet ansässigen Vertreter bestellen.

Die Meldung im IOSS hat dann insbesondere zur Folge, dass die Einfuhr der Ware in die EU von der Einfuhrum-satzsteuer befreit wird (§ 5 Abs. 1 Nr. 7 UStG). Dies gilt unter der Voraussetzung, dass eine bei der zuständigen Zollstelle zu beantragende individuelle Identifikationsnummer des Händlers oder seines beauftragten Vertreters in der Zollanmeldung angegeben wird.

Variante 2

Erfolgt der Fernverkauf dagegen in der Weise, dass Ware aus dem Drittland in einen Mitgliedstaat eingeführt wird (Mitgliedstaat 1), der Transport des Gegenstands dann aber erst in einem anderen Mitgliedstaat (Mitgliedstaat 2) endet (Transit), gilt die Lieferung als in dem anderen Mitgliedstaat (Mitgliedstaat 2) ausgeführt (§ 3c Abs. 2 Satz 1 UStG). Diese Ortsbestimmungsvorschrift gilt ungeachtet des Werts der Sendung oder der Anmeldung der Sendung im IOSS.

Lieferfiktion beim Handel über Online-Marktplatz mit Drittlandsbezug

Variante 1: Ware, die sich bereits in der EU befindet

Liefert ein im Drittland ansässiger Händler über einen Online-Marktplatz Ware, die sich bereits in der EU befindet (z.B. weil sie dort bevorratet wird) an einen Nichtunternehmer und endet der Warentransport dabei in der EU, wird der Online-Marktplatzbetreiber fiktiv in die Lieferkette einbezogen (§ 3 Abs. 3a Satz 1 UStG).

Hinweis: Dies gilt auch für Warentransporte, die nur innerhalb eines Mitgliedstaats stattfinden.

Variante 2: Fernverkauf aus dem Drittland

Erfolgt ein Fernverkauf aus dem Drittland über einen Online-Marktplatz und beträgt der Wert der Sendung nicht mehr als 150 €, wird der Online-Marktplatzbetreiber ebenfalls fiktiv in die Lieferkette einbezogen (§ 3 Abs. 3a Satz 2 UStG).

Hinweis: Die Ansässigkeit des Händlers und Marktplatzbetreibers ist bei Variante 2 unbeachtlich.

Beurteilung der Auswirkungen

Beide Varianten führen im Ergebnis zu einem fiktiven Reihengeschäft, bei dem die fiktive Lieferung des Online-Marktplatzbetreibers an den Kunden in allen Fällen die sog. bewegte Lieferung darstellt (§ 3 Abs. 6b UStG). Dies gilt auch dann, wenn tatsächlich der Online-Händler die Gegenstände befördert oder an den Kunden sendet.

Für die bewegten Lieferungen des Online-Marktplatzbetreibers kommen dann im Falle der Variante 1 – und grenzüberschreitender Lieferung – die Vorschriften zum innergemeinschaftlichen Fernverkauf (siehe oben unter Abschn. 2) zur Anwendung, und zwar inkl. Meldung im OSS. Hierbei dürfen auch die innerhalb eines Mitgliedstaats ausgeführten Lieferungen im OSS gemeldet werden (§ 18j Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG). Für die bewegten Lieferungen des Online-Marktplatzbetreibers gem. Variante 2 sind dagegen die Vorschriften zum Fernverkauf aus dem Drittland (vgl. oben unter Abschn. 2) maßgeblich, dies inkl. Meldung im IOSS.

Bei den vorangehenden fiktiven Umsätzen des Online-Händlers an den Online-Marktplatzbetreiber handelt es sich um sog. unbewegte Lieferungen, die dort als ausgeführt gelten, wo der Warentransport beginnt (vgl. § 3 Abs. 7 Satz 2 UStG). Bei Variante 1 liegen daher regelmäßig steuerbare Umsätze im Inland vor, die allerdings umsatzsteuerfrei sind (§ 4 Nr. 4c UStG). Bei Variante 2 handelt es sich dagegen um Umsätze im Drittland, die somit von vornherein nicht der Umsatzbesteuerung im Inland unterliegen.

Exkurs: Vereinfachtes Einfuhrverfahren für nicht im IOSS gemeldete Sendungen aus dem Drittland bis zu einem Wert von 150 €

Mit dem Inkrafttreten der Neuregelung der Fernverkäufe sieht der Gesetzgeber auch den Wegfall der Einfuhrumsatzsteuerbefreiung für Warensendungen bis 22 € vor (Aufhebung § 1a EUStBV). Ab dem 1.7.2021 müssen daher sämtliche Wareneinfuhren – die nicht (mit einfuhrumsatzsteuerbefreiender Wirkung) im IOSS gemeldet werden – zum Zwecke der Erhebung der Einfuhrumsatzsteuer einer Einfuhrabfertigung unterzogen werden.

Zur Verwaltungsvereinfachung wird dann allerdings ein gänzlich neues Verfahren zur Erhebung der Einfuhrumsatzsteuer für Warensendungen bis zu 150 € eingeführt (§ 21a Abs. 1 UStG). Dieses Verfahren erlaubt es den Post- oder Paketdiensten (unter diversen Bedingungen), Warensendungen bis zu diesem Wert zollrechtlich im Namen und auf Rechnung des Empfängers zum freien Verkehr in der EU anzumelden. Im nächsten Zug, d.h. bei Auslieferung der Ware, wird die entstandene Einfuhrumsatzsteuer von den Empfängern eingezogen.

Der Zollverwaltung wird dadurch erheblicher Verwaltungsaufwand erspart bleiben und auch der Empfänger wird den großen Vorteil haben, dass er solche Sendungen nicht mehr extra bei seiner lokalen Zollstelle abholen muss, um dort die zollrechtlichen Formalitäten selbst zu erledigen. 

Hinweis: Für den Post- oder Paketdienst werden sich bei Anwendung dieser Vorschrift allerdings wohl zusätzlicher Verwaltungsaufwand und zudem Haftungsrisiken ergeben.

Fazit

Die Neuregelung des Fernverkaufs und insbesondere dessen Besteuerung über das OSS oder IOSS kann für Online-Händler zu erheblichen Erleichterungen führen. Dies sollte frühzeitig vor dem 1.7.2021 geprüft und geplant werden.

Allerdings werden diejenigen Händler von der Neuregelung nicht wesentlich profitieren können, die Betreiber von Online-Marktplätzen auch mit der Erledigung der erforderlichen Warenlogistik beauftragen (Fulfillment Solutions) und dabei grenzüberschreitende Warenumlagerungen in der EU zulassen. Die Warenumlagerungen muss der Händler im Bestimmungsmitgliedstaat als innergemeinschaftliche Verbringungen (bzw. innergemeinschaftliche Erwerbe) melden. Da diese Meldung nicht im OSS erfolgen kann, muss sich der Händler letztlich doch in jedem relevanten Bestimmungsmitgliedstaat steuerlich registrieren lassen.

Empfehlungen: Es ist nicht möglich, den Vorsteuerabzug über das OSS oder IOSS geltend zu machen. Händler sollten daher auch von vornherein klären, wie die Erstattung ggf. anfallender Einfuhrumsatzsteuer oder sonstiger zu zahlender Umsatzsteuer als Vorsteuer beantragt werden kann. Schließlich ist zu beachten, dass eine Teilnahme am OSS oder IOSS bereits ab 1.7.2021 nur dann möglich ist, wenn schon vor diesem ersten Besteuerungszeitraum die dafür erforderliche Anzeige beim Bundeszentralamt für Steuern erfolgt ist (§ 18i Abs. 1 Satz 3 UStG). Für die Meldung im IOSS muss außerdem die oben erwähnte individuelle Identifikationsnummer beantragt und ggf. muss ein in der EU ansässiger Vertreter bestellt werden.

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