Zum Inhalt springen

Sie sind hier:

Vermeidung der Grunderwerbsteuer bei Umstrukturierungen im Konzern

Zur Anwendung des sog. Konzernvorbehalts im § 6a Grunderwerbsteuergesetz (GrEStG) vertritt die Finanzverwaltung seit kurzem eine im Vergleich zur bisherigen Auslegung sehr viel großzügigere Auffassung zu der Möglichkeit, bestimmte konzerninterne Umstrukturierungen von der Grunderwerbsteuer zu befreien. In der Praxis erfordert dies eine sorgfältige Abwägung der Gestaltungsoptionen.

Aktuelle Entwicklungen der Rechtslage

Mit der neuen Auffassung, die mit gleichlautenden Erlassen der obersten Finanzbehörden der Länder vom 22.9.2020 (BStBl. 2020 I S. 960) bekanntgegeben wurde, folgt die Finanzverwaltung erfreulicherweise weitgehend der jüngsten umfangreichen BFH-Rechtsprechung aus dem August 2019. Hier hatte sich der BFH in sieben Urteilen gegen die bisherige restriktive Verwaltungsauffassung gestellt. Wir hatten hierüber bereits in einem früheren Beitrag berichtet.

Die nunmehr also auch durch die Finanzverwaltung vertretene, sehr viel weitere Auslegung der grunderwerbsteuerlichen Konzernklausel gewinnt insbesondere dadurch an Bedeutung, dass das GrEStG mit Wirkung zum 1.7.2021 eine Ausweitung und Verschärfung der sog. Ersatztatbestände erfahren hat. So wurde z.B. im Rahmen der Share Deals (also Veräußerungen, bei denen nicht die Grundstücke selbst, sondern Anteile an grundbesitzhaltenden Gesellschaften übertragen werden) die kritische Beteiligungsgrenze von 95% auf 90% abgesenkt. Darüber hinaus wurden für Übertragungen unter Beteiligung von Personengesellschaften die Vor- und Nachbehaltensfristen von fünf auf zehn bzw. fünfzehn Jahre verlängert. Diese – in einem vorherigen Beitrag dargestellten – Gesetzesänderungen wurden durch das Gesetz zur Änderung des GrEStG vom 12.5.2021 umgesetzt.

Aus diesen aktuellen Entwicklungen ergibt sich, dass es künftig grunderwerbsteuerlich sehr viel vorteilhafter sein kann, Umstrukturierungen eher im Rahmen von Umwandlungen als durch bloße Anteilsübertragungen zu vollziehen. Diese Vorteilhaftigkeit durch gezielte Ausnutzung der Konzernklausel wird nachfolgend beispielhaft für Aufwärts- bzw. Abwärtsverschmelzungen skizziert.

Beispiel-Struktur: In einer Mutter/Tochter/Enkelin-Gesellschaftsstruktur, in der die Mutter sämtliche Anteile an der Tochter und die Tochter sämtliche Anteile an der Enkelin hält, sollen sowohl die Tochter als auch die Enkelin grundbesitzhaltende Gesellschaften sein. Diese Struktur soll seit mehr als fünf Jahren bestehen.

Vorteilhaftigkeitsanalyse bei Aufwärts- bzw. Abwärtsverschmelzungen

Up-stream-merger

Wird die Enkelin auf die Tochter verschmolzen, ergibt sich grunderwerbsteuerlich Folgendes:

(1) Für die Tochter: Im Rahmen der Verschmelzung erwirbt die Tochter auch die Grundstücke der Enkelin, da deren Vermögen als Ganzes auf die Tochter übergeht. Der Erwerb dieser Grundstücke ist zunächst grunderwerbsteuerbar. Nach § 6a GrEStG wird die Grunderwerbsteuer für diesen Erwerb nicht erhoben, denn die Voraussetzungen für die Anwendung der Konzernklausel sind erfüllt:

  • Es handelt sich um einen Rechtsvorgang im Rahmen einer Umwandlung (Verschmelzung).
  • An der Verschmelzung sind zwei von der Mutter (als herrschendes Unternehmen) abhängige Gesellschaften (Tochter und Enkelin) beteiligt. Das Kriterium „Beherrschung“ ist hier erfüllt, da die Mutter mindestens 95% der Anteile der Tochter und die Tochter mindestens 95% der Anteile der Enkelin hält.
  • Die Beteiligungen bestanden vor der Verschmelzung bereits fünf Jahre.
  • Die fünfjährige Nachbehaltensfrist ist bezogen auf die Enkelin nicht erfüllbar, da die Enkelin durch die Verschmelzung erloschen ist. Nach der früheren strengen Auslegung durch die Finanzverwaltung hätte diese Unmöglichkeit der Erfüllung der Nachbehaltensfrist dazu geführt, dass die Konzernklausel nicht anwendbar gewesen wäre, wodurch auf den Grundstücksbestand der Enkelin Grunderwerbsteuer zu zahlen gewesen wäre. Nunmehr sind sich Rechtsprechung und Finanzverwaltung aber einig, dass die umwandlungsrechtliche Unmöglichkeit des Einhaltens von Fristen nicht zur Versagung der Anwendung der Konzernklausel führt.
  • Zur Aufrechterhaltung der Steuerbefreiung aufgrund der Konzernklausel muss die Mutter allerdings die Beteiligung an der Tochter für weitere fünf Jahre halten.

Für die Grundstücke, die die Tochter selbst hält, ergeben sich aus der Verschmelzung keine grunderwerbsteuerlichen Folgen für die Tochter, denn diese befinden sich unverändert im Besitz der Tochter.

(2) Für die Mutter: Für die Grundstücke, die die Tochter hält, ergeben sich ebenso keine grunderwerbsteuerlichen Folgen für die Mutter, denn sowohl vor als auch nach der Verschmelzung hält die Mutter unmittelbar die Anteile an der Tochter.

Bezogen auf die Grundstücke der Enkelin wechselt durch die Verschmelzung die bei der Mutter bereits bestehende mittelbare Anteilsvereinigung in eine unmittelbare Anteilsvereinigung. Diese sog. Verstärkung einer bereits bestehenden Anteilsvereinigung erfüllt nicht noch einmal den Ersatztatbestand der Anteilsvereinigung. Somit fällt durch die Verschmelzung der Enkelin auf die Tochter auch bei der Mutter insgesamt keine Grunderwerbsteuer an.

Down-stream-merger

Wird die Tochter auf die Enkelin verschmolzen, ergibt sich grunderwerbsteuerlich Folgendes:

(1) Für die Enkelin: Im Rahmen der Verschmelzung erwirbt die Enkelin auch die Grundstücke der Tochter, da deren Vermögen als Ganzes auf die Enkelin übergeht. Der Erwerb dieser Grundstücke ist grunderwerbsteuerbar und ebenso wie bei der gegenläufigen Verschmelzungsrichtung nach § 6a GrEStG von der Grunderwerbsteuer befreit. Die oben dargestellten Voraussetzungen für die Anwendung der Konzernklausel sind hier ebenso erfüllt. Insbesondere kommt es nicht (mehr) darauf an, dass durch das Erlöschen der Tochter die Nachbehaltensfrist (also fortdauernde Beteiligung der Mutter an der Tochter) nicht mehr eingehalten werden kann. Allerdings muss auch hier die Mutter die Anteile an der aufnehmenden Gesellschaft – hier also an der Enkelin – für weitere fünf Jahre halten.

Für die Grundstücke, die die Enkelin selbst hält, ergeben sich aus der Verschmelzung keine grunderwerbsteuerlichen Folgen für die Enkelin, denn diese befinden sich unverändert im Besitz der Enkelin.

(2) Für die Mutter: Auch bei dieser Verschmelzungsrichtung (Abwärtsverschmelzung) werden auf Ebene der Mutter keine Ersatztatbestände wie z.B. die Anteilsvereinigung erfüllt. Hinsichtlich der Grundstücke der Enkelin wird die Beteiligung lediglich von einer mittelbaren zu einer unmittelbaren Beteiligung verstärkt. Bezogen auf die Grundstücke der Tochter, die durch die Verschmelzung auf die Enkelin übergehen, besteht bei der Mutter unverändert eine unmittelbare Beteiligung.

Fazit: Durch die Ausweitung der Ersatztatbestände mit Wirkung zum 1.7.2021 hat sich die Komplexität des Grunderwerbsteuerrechts noch einmal deutlich erhöht. Künftig werden Ersatztatbestände nach altem und neuem Recht parallel überwacht  werden müssen. So wird etwa auch die alte Beteiligungshöhe von 95% weiterhin relevant bleiben, wenn beispielsweise ein Gesellschafter das steuerauslösende Quantum von 95% nach altem Recht mit Ablauf des 30.6.2021 noch nicht überschritten, aber bereits eine Beteiligung in Höhe von mindestens 90% erreicht hatte.

Zurück zur Übersicht
Zurück zum Seitenanfang