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Vergütungspflicht von Vor- und Nachbereitungshandlungen im Arbeitsverhältnis

Sog. Vor- und Nachbereitungshandlungen – wie z.B. Umkleide-, Weg-, Hygiene- und Rüstzeiten – werden bislang in aller Regel nicht als Arbeitszeit vergütet. Lediglich für den Bereich der Fleischverarbeitung besteht mit § 6 GSA-Fleisch eine spezialgesetzliche Grundlage, welche diese Handlungen als Arbeitszeit qualifiziert. Prüfende Sozialversicherungsträger neigen nun dazu, den § 6 GSA-Fleisch analog auf andere Lebensmittelbranchen anzuwenden. Eine derartige Qualifizierung von Vor- und Nachbereitungshandlungen als Arbeitszeit bringt jedoch erhebliche rechtliche Probleme mit sich.

Bestätigung vorheriger Rechtsprechung zur vergütungspflichtigen Arbeitszeit

Die Rechtsprechung hat sich bereits in einigen Entscheidungen mit der Frage der Vergütungspflicht derartiger Vor- und Nachbereitungshandlungen auseinandersetzen müssen. In diesen Entscheidungen knüpfen die Richter für die Vergütungspflicht des Arbeitgebers nach § 611 Abs. 1 BGB an die Leistung der versprochenen Dienste an. Zu diesen versprochenen Diensten zählt dabei laut Rechtsprechung nicht nur die eigentliche Tätigkeit, sondern jede vom Arbeitgeber verlangte sonstige Tätigkeit oder Maßnahme, die mit der eigentlichen Tätigkeit oder der Art und Weise ihrer Erbringung unmittelbar zusammenhängt. Somit sind nach bisheriger Rechtsprechung des BAG auch Vor- und Nachbereitungszeiten als vergütungspflichtige Arbeitszeit zu qualifizieren, wenn diese Handlungen im Rahmen des arbeitsrechtlichen Weisungsrechts erfolgen.

Das BAG hatte vor diesem Hintergrund bereits mit Urteil vom 19.9.2012 (Az.: 5 AZR 678/11) entschieden, dass Umkleidezeiten zur vertraglich geschuldeten Arbeitsleistung gehören, wenn der Arbeitgeber das Tragen einer bestimmten Kleidung vorschreibt und das Umkleiden im Betrieb erfolgen muss. In diesem Fall diene das Umkleiden allem voran einem fremden und nicht dem eigenen Bedürfnis, da das Umkleiden aufgrund der Weisung des Arbeitgebers geschieht. In der Entscheidung wurde weiterhin festgestellt, dass in logischer Konsequenz dann auch die Wegzeiten, welche der Arbeitnehmer zurücklegen muss, um von der Umkleide bis zum Arbeitsplatz zu gelangen, als vergütungspflichtige Arbeitszeit anzusehen sind. Dies hat das BAG mit Urteil vom 31.3.2021 (Az.: 5 AZR 148/20; 5 AZR 292/20) erst kürzlich wieder bestätigt. 

Praktische Bedeutung

Bei der zitierten Rechtsprechung handelt es sich zwar lediglich um Einzelfallentscheidungen, dennoch erscheint es nicht unwahrscheinlich, dass anderweitige Handlungen gleichermaßen als vergütungspflichtige Arbeitszeiten anzusehen sind. Die verbleibende Rechtsunsicherheit geht in erster Linie zu Lasten des Arbeitgebers, der sich in der Praxis mit den Folgen nicht vergüteter Arbeitszeit auseinandersetzen muss.

Folgen bei Fehleinschätzung

Dabei sind die drohenden Folgen für den Arbeitgeber keinesfalls geringzuschätzen. So ist die Vergütungspflicht vor allem sozialversicherungsrechtlich problematisch, da die Beitragsschuld an das vereinbarte Entgelt anknüpft. Wenn Vor- und Nachbereitungshandlungen vergütungspflichtige Arbeitszeit darstellen, dann besteht regelmäßig das Risiko, dass die zuständigen Behörden neben den nachzuzahlenden Beiträgen auch einen Straftatbestand annehmen.

Empfehlung: Der Arbeitgeber kann diesen Problemen präventiv entgegenwirken, indem er individualvertragliche Regelungen mit seinen Arbeitnehmern trifft. Grundsätzlich kann eine gesonderte Vergütungsregelung für eine andere als die eigentliche Tätigkeit getroffen werden oder es kann diese Vergütungspflicht durch eine Regelung im Arbeitsvertrag bzw. Tarifvertrag gänzlich abbedungen werden.

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