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Umgang des Arbeitgebers mit nicht geimpften Arbeitnehmern

Da nun in vielen Unternehmen in Deutschland Arbeitnehmer durch Betriebsärzte gegen Covid-19 geimpft werden können, gibt dies den Arbeitgebern Hoffnung auf eine „Rückkehr“ aus dem Home Office und die Normalisierung der betrieblichen Abläufe. Zugleich stellen sich aber auch arbeitsrechtliche Fragen zum Umgang mit nicht geimpften Arbeitnehmern.

Besteht eine Pflicht zur Impfung gegen COVID-19?

Eine gesetzliche Pflicht zur Impfung gegen COVID-19 besteht derzeit nicht. Ob Arbeitgeber ihren Mitarbeitern eine Corona-Impfung durch Ausübung ihres Direktionsrechts vorschreiben können, ist kritisch und einzelfallbezogen zu beurteilen. Denn das Direktionsrecht des Arbeitgebers gilt nicht grenzenlos, sondern muss billigem Ermessen entsprechen und insbesondere die gegenseitigen Rücksichtnahmepflichten beachten. Für eine Impfpflicht spricht, dass der Arbeitgeber dadurch seiner Fürsorge- und Schutzpflicht gegenüber seinen Beschäftigten zur Erhaltung der Gesundheit gem. §§ 241 Abs. 2, 618 BGB, § 3 ArbSchG nachkommt, da sich das Risiko einer Ansteckung reduziert. Vor dem Hintergrund des schwerwiegenden Eingriffs in die Grundrechte der Arbeitnehmer (insbesondere das Selbstbestimmungsrecht und das Recht auf körperliche Unversehrtheit) wird derzeit aber mehrheitlich vertreten, dass das Direktionsrecht des Arbeitgebers eine Impfpflicht i.d.R. nicht umfasst. Dies gilt jedenfalls für „gewöhnliche Arbeitsverhältnisse“. Hinsichtlich der „besonderen Arbeitsverhältnisse“, wie z.B. im Bereich der Pflege und bei medizinischem Fachpersonal, die im engen Kontakt zu Risikopatienten stehen, wird hingegen diskutiert, ob die Abwägung der kollidierenden Interessen ausnahmsweise anders ausfallen muss, wenn der Arbeitgeber etwa als Betreiber eines Krankenhauses, einer Arztpraxis oder eines (Alten-)Pflegeheims Schutzpflichten gegenüber Dritten – z.B. seinen Patienten – hat. Hier besteht wegen des engen körperlichen Kontakts nicht nur eine besondere Gefährdungssituation, diese Personengruppen von Arbeitnehmern sind zur Aufrechterhaltung des Gesundheitswesens auch unverzichtbar. Kranken- und Pflegeeinrichtungen müssen sicherstellen, dass alle nach dem Stand der medizinischen Wissenschaft erforderlichen Maßnahmen zur Vermeidung von Infektionen und Weiterverbreitung von Krankheitserregern getroffen werden. 

Es gibt daher gute Gründe, hier im Rahmen der Ermessensentscheidung andere Maßstäbe bei der Ausübung des Direktionsrechts anzusetzen. Da die Ermessensentscheidung – wie immer – eine Einzelfallentscheidung ist, kann eine arbeitgeberseitige Weisung, sich impfen zu lassen, in diesen Bereichen mit einer entsprechenden Begründung durchaus vertretbar und rechtmäßig sein. Dies gilt insbesondere dann, wenn Arbeitnehmer aufgrund ihrer beruflichen Tätigkeit bzgl. der Impfung privilegiert sind, die Personen, mit denen sie Kontakt haben, hingegen nicht.

Arbeitnehmer, die der Weisung des Arbeitgebers nicht nachkommen, setzen sich dem Risiko aus, eine (gerichtlich überprüfbare) Abmahnung zu erhalten. Sofern die Weisung rechtswidrig sein sollte, müssen sie diese Weisung nicht befolgen, eine solche Abmahnung wäre dann unwirksam. Sollte ein Arbeitgeber also fälschlicherweise davon ausgehen, er dürfe eine Impfung anweisen und den nicht geimpften Arbeitnehmer mangels Impfung nicht weiter beschäftigen, wäre er zur Fortzahlung der Vergütung verpflichtet, obwohl der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung nicht erbracht hat. Das Risiko einer berechtigten Abmahnung oder gar einer Kündigung wegen Leistungsverweigerung trägt wiederum der Arbeitnehmer. 

Empfehlung: Es ist deshalb anzuraten, das konkrete Risiko im Einzelfall durch einen Rechtsanwalt einschätzen zu lassen. Die Entwicklung der Rechtsprechung zum Direktionsrecht für solche Fälle bleibt abzuwarten.

Kommt es noch zu einer gesetzlichen Impfpflicht?

Für Arbeitsverhältnisse im Gesundheitswesen ist zu berücksichtigen, dass bereits andere gesetzliche Impfpflichten existieren, z.B. im Rahmen des am 1.3.2020 in Kraft getretenen Masernschutzgesetzes. Da sich die vom Gesetz erfassten Personen teilweise nicht selbst vor Masern schützen können (z.B. weil sie ein zu schwaches Immunsystem haben), sind sie darauf angewiesen, dass sich andere Personen im direkten Umfeld solidarisch verhalten und sich impfen lassen. 

Mit der Frage der Vereinbarkeit einer gesetzlichen Impfpflicht und dem Grundgesetz hat sich das Bundesverwaltungsgericht bereits 1959 (bzgl. einer Pockenschutzimpfung) auseinandergesetzt. Danach wird eine Impfpflicht bei besonders ansteckenden Krankheiten, die Leben und Gesundheit anderer Menschen schwer gefährden, als zulässig erachtet. Dass das Bundesgesundheitsministerium von seiner im Infektionsschutzgesetz (§ 20 Abs. 6 IfSG) geregelten Befugnis Gebrauch macht, eine Impfpflicht anzuordnen, ist auch hinsichtlich der Eindämmung von Covid-19 denkbar.

Fragerecht des Arbeitgebers

Der neu eingeführte § 23a IfSG, welcher es Arbeitgebern ausdrücklich erlaubt, Beschäftigte nach ihrem Impfstatus zu befragen, umfasst nur bestimmte Berufsgruppen des Gesundheitswesens. Danach dürfen z.B. Leiter von Krankenhäusern oder Pflegediensten (§ 23 Abs.3 IfSG) einen Nachweis über den Impfstatuts ihrer Beschäftigten verlangen. Von der Rechtsprechung wird dem Arbeitgeber jedoch ebenfalls ein Fragerecht zuerkannt, „wenn dieser ein berechtigtes, billigenswertes und schutzwürdiges Interesse an der Beantwortung seiner Frage für die Durchführung des Arbeitsverhältnisses hat und das Interesse des Arbeitnehmers an der Geheimhaltung seiner Daten das Interesse des Arbeitgebers an der Erhebung dieser Daten nicht überwiegt“. 

Aus Gründen der arbeitgeberseitigen Fürsorgepflicht und zur Verminderung der Infektionsgefahr im Betrieb und bei Ausführung der geschuldeten Tätigkeit ist somit grundsätzlich ein berechtigter Auskunftswunsch des Arbeitgebers über den gesundheitlichen Zustand des Arbeitnehmers vertretbar. Führt die Interessenabwägung im Einzelfall zu dem Ergebnis, dass die Interessen des Arbeitgebers überwiegen und ihm ein Fragerecht zum Impfstatus zusteht, trifft den Arbeitnehmer eine Pflicht zur wahrheitsgemäßen Auskunft.

Weitere Maßnahmen des Arbeitgebers

Vor dem Hintergrund, dass Arbeitgeber ihre Mitarbeiter bisher i.d.R. nicht wirksam zu einer Impfung verpflichten können, sie aber sicherstellen müssen, dass Nichtgeimpfte kein Risiko für andere Mitarbeiter und Dritte darstellen, sind weitere arbeitgeberseitige Maßnahmen in Betracht zu ziehen. Denkbar wäre zunächst eine Versetzung des nicht geimpften Arbeitnehmers in einen anderen, seinen Fähigkeiten entsprechenden gleichwertigen Tätigkeitsbereich oder an einen anderen Ort. Denkbar ist neben der bezahlten Freistellung des betreffenden Arbeitnehmers schließlich auch der Fall, dass der Arbeitnehmer dauerhaft nicht mehr beschäftigt werden kann, so dass bei Vorliegen der Voraussetzungen eine personenbedingte Kündigung die Folge sein kann. 

Hinweis: Arbeitgeber können einen „Impfbonus“ an Impfwillige zahlen, z.B. durch eine einmalige Sonderzahlung, Gutscheine oder Extraurlaubstage. Diese Prämie darf allerdings nicht nur für Nichtgeimpfte als Anreiz zur Impfung gewährt werden. Zu beachten ist außerdem, dass etwaig bestehende Betriebsräte in jedem Fall ein Mitspracherecht haben, da ein solcher Bonus mitbestimmungspflichtig ist.

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