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Neufassung des Nachweisgesetzes hinsichtlich der Arbeitsbedingungen

Umgang mit Unklarheiten zu Arbeitgeberpflichten seit dem 1.8.2022

Das „Gesetz zur Umsetzung der EU-Richtlinie über transparente und vorhersehbare Arbeitsbedingungen in der Europäischen Union im Bereich des Zivilrechts“ ist am 1.8.2022 in Kraft getreten. Damit wurde u.a. das Nachweisgesetz neu gefasst, in dem die Pflichten des Arbeitgebers über den Nachweis der wesentlichen Arbeitsbedingungen festgeschrieben sind. Aus der Neufassung ergeben sich Handlungspflichten für Arbeitgeber bei der Erstellung und Änderung von Arbeitsverträgen.

Hintergrund

Die EU hat am 20.6.2019 die Richtlinie (EU) 2019/1152 über transparente und vorhersehbare Arbeitsbedingungen erlassen. Ziel der Richtlinie 2019/1152 ist es, mehr Transparenz hinsichtlich der Arbeitsbedingungen in Europa herzustellen. Das Gesetz der Bundesregierung geht teilweise über die zwingenden Vorgaben der Richtlinie hinaus. Es müssen danach deutlich mehr Vertragsinhalte schriftlich niedergelegt werden. Der Arbeitgeber muss dem Arbeitnehmer den von dem Arbeitgeber im Original unterschriebenen Nachweis der im Gesetz genannten Arbeitsbedingungen rechtzeitig zukommen lassen.

Schriftlich niederzulegende Vertragsbedingungen

Nach dem Gesetzesentwurf zählen zu den Vertragsbedingungen, die künftig schriftlich niedergelegt werden müssen, insbesondere:

  • die Dauer der vereinbarten Probezeit,
  • die Zusammensetzung und die Höhe des Arbeitsentgelts, einschließlich der Vergütung von Überstunden, der Zuschläge, der Zulagen, Prämien und Sonderzahlungen sowie anderer Bestandteile des Arbeitsentgelts. Diese sind jeweils getrennt mit ihrer jeweiligen Fälligkeit sowie der Art der Auszahlung anzugeben (bar bzw. bargeldlos),
  • die Arbeitszeit sowie die vereinbarten Ruhepausen und Ruhezeiten,
  • bei vereinbarter Schichtarbeit das Schichtsystem, der Schichtrhythmus und Voraussetzungen für Schichtänderungen
  • Möglichkeiten und Voraussetzungen der Anordnung von Überstunden,
  • im Falle von Arbeit auf Abruf die Zahl der mindestens zu vergütenden Stunden sowie die Frist, innerhalb derer die Arbeit „abzurufen“ ist, und der Zeitrahmen, der für die Erbringung der Arbeitsleistung festgelegt wird (durch Benennung von Referenztagen und Referenzstunden),
  • ein etwaiger Anspruch auf vom Arbeitgeber bereitgestellte Fortbildungen,
  • Name und Anschrift des Versorgungsträgers, sofern arbeitgeberseitig eine betriebliche Altersversorgung über einen Versorgungsträger zugesagt wurde,
  • das bei Kündigung des Arbeitsverhältnisses einzuhaltende Verfahren wie Schriftformerfordernis, Kündigungsfristen, Frist zur Erhebung der Kündigungsschutzklage,
  • ein allgemeiner Hinweis auf die anwendbaren Tarifverträge, Betriebs- oder Dienstvereinbarungen,
  • umfangreiche Pflichten zur Niederschrift bei einer Entsendung von Mitarbeitern ins Ausland.

Viele der neuen Nachweispflichten werfen erhebliche rechtliche Unsicherheiten auf. Neu ist vor allem die Ausweitung der Nachweispflicht auf die Unterrichtung über das Kündigungsverfahren. Inhalt und Umfang dieser Pflicht sind noch nicht abschließend geklärt.

Hinweis: Sofern Tarifverträge bzw. kirchliche Arbeitsvertragsregelungen und/oder Betriebs-/Dienstvereinbarungen auf das jeweilige Arbeitsverhältnis Anwendung finden, sieht das Gesetz Nachweiserleichterungen vor. Tarifanwender bzw. Anwender kirchlicher Arbeitsvertragsregelungen können ihrer Nachweispflicht für bestimmte, in dem Gesetz genannte Arbeitsbedingungen durch einen Verweis auf die einschlägigen Regelungen im Tarifvertrag oder in der Betriebs-/Dienstvereinbarung nachkommen (vgl. § 2 Abs. 4 Sätze 1 und 3 NachwG).

Rechtliche Unsicherheiten bzgl. der Verweis-Möglichkeiten

Ungeklärt ist jedoch bislang, wie konkret dieser Verweis ausgestaltet sein muss:

  • Reicht ein allgemeiner Hinweis auf die anzuwendenden kollektivrechtlichen Regelungen oder
  • werden weitergehende Ausführungen, insbesondere ein sog. qualifizierter Verweis verlangt?

Nach der bisherigen Rechtslage entsprach es weit verbreiteter Auffassung in Rechtsprechung und Literatur, dass durch einen allgemeinen Hinweis auf die auf das Arbeitsverhältnis anwendbaren Tarifverträge, Betriebs- oder Dienstvereinbarungen sowie kirchlichen Arbeitsvertragsregelungen die Nachweispflichten erfüllt werden.

Bereits zur alten Rechtslage wurde aber vereinzelt in der Literatur – unter Verweis auf Sinn und Zweck des Gesetzes sowie eine zur alten Rechtslage ergangene Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (Urteil vom 30.10.2019, Az.: 6 AZR 465/18) – die Rechtsauffassung vertreten, dass zumindest folgende Angaben erforderlich seien (qualifizierter Verweis):

  • konkrete Vertragsbedingung (Regelungsbereich),
  • genaue Bezeichnung der einschlägigen Kollektivvereinbarung
  • und ggf. die Klarstellung ihrer dynamischen Anwendbarkeit.

Hinweis: Weiter heißt es in der Literatur, dass die konkrete Bestimmung in der jeweiligen kollektiv-rechtlichen Regelung so genau zu bezeichnen sei, dass der Arbeitnehmer sie mühelos auffinden könne. Entsprechende Verlautbarungen finden sich auch zu der neuen Gesetzeslage.

Achtung: Fristverkürzung gegenüber der bisherigen Rechtslage!

Nach zuvor geltender Rechtslage hatte der Arbeitgeber nach dem vereinbarten Beginn des Arbeitsverhältnisses einen Monat Zeit, die wesentlichen Vertragsbedingungen niederzulegen. Seit dem 1.8.2022 gilt jedoch: Die Niederschrift gewisser Angaben (etwa Name der Vertragsparteien, Höhe der Arbeitsentgelte, Arbeitszeit) und die Aushändigung des Nachweises an den Arbeitnehmer sind bereits am ersten Arbeitstag zu leisten. Für alle übrigen nachzuweisenden Arbeitsbedingungen sind verschiedene Fristen vom siebten Kalendertag bis zu einem Monat nach dem vereinbarten Beginn des Arbeitsverhältnisses vorgesehen.

Hinweis: Aus Arbeitgebersicht sollte vorsorglich der vollständige Nachweis (spätestens) am ersten Tag der Arbeitsleistung erfüllt werden.

Änderungen der wesentlichen Vertragsbedingungen müssen zukünftig ebenfalls bereits an dem Tag, an dem die Änderung wirksam wird, schriftlich mitgeteilt werden.

Arbeitnehmern, die bereits vor dem 1.8.2022 beschäftigt waren, war auf deren Wunsch die Niederschrift mit weiteren wesentlichen Angaben spätestens am siebten Tag nach der Geltendmachung auszuhändigen. Arbeitgeber, die dies noch nicht erledigt haben, sollten das schnellstmöglich nachholen.

Sanktionierung bei Verstoß gegen die neuen Arbeitgeberpflichten

Bislang haben sich Verstöße gegen das Nachweisgesetz insbesondere in beweisrechtlichen Fragen zu Lasten des Arbeitgebers ausgewirkt. Ein Bußgeldtatbestand war nicht vorgesehen. Nach den neuen Vorschriften, die seit dem 1.8.2022 gelten, wird zusätzlich ein Ordnungswidrigkeitentatbestand eingeführt. Der Bußgeldrahmen beträgt bis zu 2.000 € bei nicht, nicht richtiger bzw. nicht vollständiger oder nicht in der vorgeschriebenen Weise erfolgten Erfüllung der Nachweispflicht.

Empfehlung: Klarheit zu den aus der Gesetzesnovelle resultierenden rechtlichen Unsicherheiten wird erst in der Zukunft durch (höchst-)richterliche Entscheidungen zu erzielen sein. Bis dahin empfiehlt sich eine pragmatische Vorgehensweise, die eher ausführlicher als zu knapp und in jedem Fall verständlich, transparent und widerspruchsfrei ausfallen sollte.

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