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Erneut angepasste Verwaltungsauffassungen zum Gemeinnützigkeitsrecht

BMF-Schreiben vom 12.1.2022 zum AEAO

Nachdem das BMF mit Schreiben vom 6.8.2021 zur Änderung des Anwendungserlasses zur AO (AEAO) insbesondere auf die neuen gemeinnützigkeitsrechtlichen Regelungen des Jahressteuergesetzes 2020 (JStG) eingegangen war, erfolgte bereits fünf Monate später eine erneute Anpassung der Verwaltungsrichtlinien: Mit Schreiben vom 12.1.2022 hat das BMF nicht nur neuere Rechtsprechung verarbeitet, sondern auch den Versuch unternommen, wenig praxistaugliche Verwaltungsmeinungen des vorangegangenen BMF-Schreibens zum JStG 2020 zu revidieren. In einem Überblick werden wesentliche Inhalte des neuen BMF-Schreibens zum AEAO nachfolgend aufgezeigt.

Stiftung von Todes wegen (AEAO zu § 51 AO)

Stiftungen von Todes wegen können nur dann ab dem Erbfall gemeinnützig sein, wenn in diesem Zeitpunkt eine den Anforderungen des Gemeinnützigkeitsrechts entsprechende ordnungsgemäße Satzung vorliegt. Die hierzu ergangene BFH-Rechtsprechung ist nunmehr auch in den AEAO aufgenommen worden (Fundstelle: AEAO, Nr. 6 Abs. 2 (neu) zu § 51 AO).

Gemeinnützige Zwecke (AEAO zu § 52 AO)

Die Neufassungen des AEAO betreffen insbesondere folgende gemeinnützige Tätigkeitsbereiche:

  • Förderung von nationalen Minderheiten und Volksgruppen sowie bestimmter Regionalsprachen
  • Privatschulen
  • Förderung des IPSC-Schießens (International Practical Shooting Confederation – IPSC)
  • Förderung der Volksbildung bzw. des demokratischen Staatswesens

Schwerpunkt der Neuregelungen sind die Ausführungen zur politischen Betätigung gemeinnütziger Körperschaften, die die Förderung der Volksbildung bzw. des demokratischen Staatswesens beabsichtigen. Die Finanzverwaltung übernimmt hier die BFH-Rechtsprechung der letzten Jahre und stellt klar, dass

  • politische Zwecke nicht zu den gemeinnützigen Zwecken gehören,
  • parteipolitische Betätigung immer unvereinbar mit der Gemeinnützigkeit ist,
  • steuerbegünstigte Körperschaften gleichwohl auf die Politik Einfluss nehmen können, wenn dies der Verfolgung ihrer steuerbegünstigten Zwecke dient und parteipolitisch neutral bleibt.

Hinweis: Daneben sind vereinzelte Stellungnahmen gemeinnütziger Körperschaften zu tagespolitischen Themen nicht zu beanstanden.

Gebot der Selbstlosigkeit, insbesondere hinsichtlich überhöhter Vergütungen (AEAO zu § 55 AO)

Neben spezifischen Ausführungen zu steuerbegünstigten Eigengesellschaften von juristischen Personen des öffentlichen Rechts und Unternehmergesellschaften gem. § 5a Abs. 1 GmbHG ist die neu gefasste Verwaltungsauffassung zu Mittelfehlverwendungen durch überhöhte Vergütungen an Geschäftsführer gemeinnütziger Körperschaften von genereller Bedeutung.

Die Finanzverwaltung stellt klar, dass bei der Frage, ob Geschäftsführer-Vergütungen „verhältnismäßig“ i.S. von § 55 Abs. 1 Nr. 3 AO sind, dieselben Grundsätze gelten wie bei der Frage, ob Vergütungen „angemessen“ gem. § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG sind. Damit ist die Auffassung, dass die Grundsätze der verdeckten Gewinnausschüttung (vGA) analog anzuwenden sind, in den AEAO aufgenommen worden.

Kooperationen i.S. des neuen § 57 Abs. 3 AO (AEAO zu § 57 AO)

Eine zentrale Neuregelung des JStG 2020 ist die Neuregelung für Körperschaften, die zur Erfüllung gemeinnütziger Zwecke arbeitsteilig zusammenarbeiten. Gem. dem neu eingefügten Abs. 3 in § 57 AO erfüllen auch Körperschaften, die wie z.B. eine Krankenhauswäscherei für sich allein betrachtet nicht unmittelbar gemeinnützig tätig sind, den Grundsatz der Unmittelbarkeit, wenn sie satzungsgemäß durch planmäßiges Zusammenwirken mit mindestens einer anderen gemeinnützigen Körperschaft einen steuerbegünstigten Zweck verwirklichen.

Hinsichtlich der Erfüllung der satzungsmäßigen Voraussetzungen hatte die Finanzverwaltung im AEAO i.d.F. vom 6.8.2021 zunächst verlangt, dass alle Kooperationspartner in der Satzung benannt werden. AEAO Nr. 8 zu § 57 lautete bisher wie folgt: „Die Körperschaften, mit denen kooperiert wird, und die Art und Weise der Kooperation müssen in den Satzungen der Beteiligten bezeichnet werden.“

Hinweis: Diese sehr starre und praxisuntaugliche Regelung, die bei sich dynamisch entwickelnden arbeitsteiligen Strukturen ständige Satzungsänderungen erforderlich macht, wurde in der Fachdiskussion als ein „Nichtanwendungserlass“ der Finanzverwaltung in Bezug auf die gesetzliche Neureglung kritisiert (vgl. auch den vorherigen Beitrag). 

Die zitierte Regelung wurde von der Finanzverwaltung nunmehr in folgenden Punkten angepasst:

  • Bei mehreren Kooperationspartnern ist es demnach jetzt ausreichend, wenn diese in der Satzung nicht namentlich benannt, aber z.B. durch die Bezeichnung des Unternehmensverbunds der Kooperationspartner konkret nachvollziehbar sind. Zusätzlich ist der Finanzverwaltung in diesem Fall eine namentliche Aufstellung der Kooperationspartner bei Beginn der Kooperation und bei Änderung der Kooperationspartner vorzulegen.
  • Das planmäßige Zusammenwirken kann bereits vor der zivilrechtlichen Wirkung von Satzungsänderungen beginnen, wenn darüber ein wirksamer Organbeschluss vorliegt, das Anmeldeverfahren eingeleitet worden ist und die Satzungsänderung auch später tatsächlich durch Registereintragung oder Genehmigung wirksam wird.

Hinweis: Die vorstehende Neuregelung schafft sicher Erleichterungen. Die Praxis hätte sich allerdings weniger bürokratische Regelungen gewünscht. Auch die Verwaltungsauffassung, dass alle beteiligten Kooperationspartner – also auch diejenigen, die ohnehin unmittelbar gemeinnützig tätig sind – ihre Satzungen anpassen müssen, erscheint nicht sachgerecht und verursacht u.E. unnötigen Verwaltungsaufwand.

Entzug der Gemeinnützigkeit (AEAO zu § 63 AO)

Die Grundsätze des BFH-Urteils vom 12.3.2020 (Az.: V R 5/17, BStBl 2021 II S. 55) zum Entzug der Gemeinnützigkeit sind nunmehr auch in den AEAO aufgenommen. Geringfügige Verstöße, z.B. gegen das Mittelverwendungsgebot des § 55 AO, rechtfertigen danach nicht den Entzug der Gemeinnützigkeit.

Regelungen für spezifische Körperschaften

Satzungsanforderungen bei Förderkörperschaften (AEAO zu § 60 AO)

Bei reinen Förderkörperschaften, also bei Körperschaften, bei denen die Mittelweitergabe als einzige Art der Zweckverwirklichung in der Satzung verankert ist, kann in der Satzung auf die Regelung zur Unmittelbarkeit gem. § 1 der Mustersatzung verzichtet werden.

Ärztliche Leistungen im Rahmen eines Krankenhaus-Zweckbetriebs (AEAO zu § 67 AO)

Auch Leistungen, die ein Arzt im Rahmen seiner Nebentätigkeitserlaubnis erbringt, und der durch den Arzt auf eigene Rechnung und auf eigenes Risiko erfüllte Behandlungsauftrag des Patienten sind Bestandteil des Versorgungsauftrags des Krankenhauses.

Organisationsleistungen von Sportdachverbänden (AEAO zu § 67a AO)

Seit 2021 sind gem. § 67a Abs. 4 AO organisatorische Leistungen eines Sportdachverbands zur Durchführung von sportlichen Veranstaltungen ein Zweckbetrieb, wenn an der sportlichen Veranstaltung überwiegend Sportler teilnehmen, die keine Lizenzsportler sind. Die Verwaltungsauffassung zu dieser Neuregelung ist nunmehr in Nr. 41 des AEAO zu § 67a AO enthalten.

Einzelne Zweckbetriebe wie Inklusionsbetriebe und Einrichtungen für Flüchtlinge (AEAO zu § 68 AO)

Bei den Ausführungen der Finanzverwaltung zu den einzelnen Katalogzweckbetrieben des § 68 AO sind insbesondere die Regelungen für Inklusionsbetriebe gem. § 68 Nr. 3c AO neu gefasst worden (neue Nr. 7 des AEAO zu § 68 AO). Daneben sind Ausführungen für nicht des Erwerbs wegen betriebener Einrichtungen zur Versorgung, Verpflegung und Betreuung von Flüchtlingen neu in den AEAO aufgenommen worden (neue Nr. 4 des AEAO zu § 68 AO).

In Bezug auf die Betreuung von Flüchtlingen wird ausgeführt, dass Flüchtlingen aufgrund ihrer psychischen, physischen oder wirtschaftlichen Situation regelmäßig zu den hilfsbedürftigen Personen i.S. von § 53 AO zählen. Eine gesonderte Prüfung der Voraussetzung sei deshalb nicht erforderlich. 

In Anbetracht der Situation in der Ukraine dürfte diese Regelung ungewollt eine hohe Aktualität erlangen.

Ausblick: Die Neuregelungen dürften in der Praxis wegen der enthaltenen Klarstellungen sicher manche Erleichterung bringen. Insbesondere für Kooperationen i.S. des neuen § 57 Abs. 3 AO wären allerdings weniger bürokratische Anforderungen wünschenswert gewesen. Vielerorts notwendige Satzungsanpassungen verursachen u.E. unnötigen Verwaltungsaufwand. Für die Abklärung verbleibender Zweifelsfragen steht Ihnen Ihr PKF-Partner gerne zur Verfügung.

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