Die „No-Russia-Klausel“
Um Exporte nach Russland einzudämmen, verständigten sich die EU-Mitgliedstaaten insbesondere auf eine Pflicht für Exporteure zur Vereinbarung einer Re-Exportklausel bei Lieferungen in Drittstaaten (Art. 12g der EU-Verordnung 833/2014). Danach müssen sich die im Drittstaat ansässigen Vertragspartner dazu verpflichten, die erworbenen Güter und Technologien nicht weiter nach Russland zu exportieren. Hintergrund ist, dass Russland in den ersten Monaten des Jahres 2023 Technologien im Wert von 450 Mio. € importierte, die in der EU hergestellt wurden. Gleichzeitig hatten EU-Beamte feststellen müssen, dass nach dem russischen Angriff auf die Ukraine die Ausfuhr von diesen Gütern von der EU in Drittstaaten stark zugenommen hatte.
Aus der Pflicht zur Implementierung dieser Klausel resultiert ein erheblicher Handlungsbedarf für Unternehmen zur Überprüfung der eigenen Betroffenheit und zur Formulierung einer hinreichenden, auf den jeweiligen Vertrag individuell angepassten Klausel.
Die neu eingefügte Vorschrift sieht vor, dass Ausführer beim Verkauf, der Lieferung, der Verbringung oder der Ausfuhr bestimmter Güter und Technologien in Drittländer die Wiederausfuhr nach Russland oder die Verwendung in Russland vertraglich untersagen müssen. Neben einer solchen Klausel bedarf es der Aufnahme von Regelungen für den Fall eines Verstoßes in das jeweilige Vertragswerk.
Betroffene Güter
Die erfassten Güter ergeben sich aus Güterlisten, die im Anhang der Verordnung zu finden sind. Von der Klausel betroffen sind
- die in Art. 12g erwähnten Güter und Technologien, die in den Anhängen XI (insb. Güter zur Verwendung in der Luft- oder Raumfahrtindustrie), XX (insb. Flugturbinenkraftstoffe und Kraftstoffadditive) und XXXV (Feuerwaffen) aufgeführt sind, sowie
- gemeinsame Güter mit hoher Priorität gemäß Anhang XL zu Art 12g (u.a. Schaltungen, Halbleiterbauelemente, bestimmte elektrische Geräte).
Zeitlicher Geltungsbereich und Ausnahmen
Die Verpflichtung zur Nutzung einer solchen Klausel gilt nicht für vor dem 19.12.2023 geschlossene Verträge, die spätestens bis zum 20.12.2024 erfüllt werden oder vorher auslaufen (einjährige Übergangsfrist). Dementsprechend ergibt sich insbesondere eine Pflicht zur nachträglichen Implementierung der Klausel, falls der Vertrag nicht in diese Übergangsfrist fällt. Vom Anwendungsbereich ausgenommen sind Verkäufe bzw. Lieferungen in die im Anhang VII der Verordnung aufgeführten Partnerländer (derzeit die USA, Japan, Großbritannien, Südkorea, Australien, Neuseeland, Norwegen und die Schweiz).
Sicherstellung der Einhaltung und Unterrichtungspflichten bei Verstößen
Neben der Pflicht zur Nutzung dieser Klausel ist auch deren Einhaltung sicherzustellen. Nach den Leitlinien der EU sind angemessen-intensive Konsequenzen für den Fall eines Verstoßes einzuarbeiten, die im Drittland ansässige Unternehmen von Verstößen abschrecken sollen. In Betracht kommen z.B. entsprechende Vertragsstrafen oder Sonderkündigungsrechte. Sollte ein Vertragspartner Kenntnis über Verstöße erlangen, müssen diese der zuständigen Behörde gemeldet werden. In Deutschland ist die zuständige Behörde das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA).
Leitlinien und Musterklausel der EU
Aus den Leitlinien der EU geht hervor, dass es den Unternehmen freisteht, einen geeigneten Wortlaut für die „No-Russia-Klausel“ selbst zu formulieren, solange der Wortlaut die Anforderungen des Art. 12g der Verordnung erfüllt. Abgesehen davon wurde eine auf Englisch verfasste Musterklausel zur Verfügung gestellt, die nach Ansicht der EU-Kommission den Anforderungen entspricht.
Hinweis: Im Falle der Anwendung der Musterklausel ergeben sich allerdings für Verträge, die dem deutschen Recht unterliegen, besondere Anforderungen vor allem im Hinblick auf die Verwendung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen. Beispielsweise ist die Bestimmung der Höhe der Vertragsstrafe in der Musterklausel unklar, was einer Vereinbarkeit mit dem deutschen AGB-Recht entgegensteht.
Empfehlung: Aufgrund solcher Besonderheiten und im Hinblick auf etwaige Sanktionen ist zu empfehlen, die Musterklausel vor einer Verwendung individuell auf die jeweiligen Verträge anzupassen.
Sanktionen bei Nichtdurchsetzung
Wird eine „No-Russia-Klausel“ nicht in den Vertrag mit dem Abnehmer aufgenommen, trifft diesen zivilrechtlich keine entsprechende Verpflichtung und mithin auch keine Sanktion, wenn er nach Russland liefert, sofern unter der für ihn geltenden Jurisdiktion kein Embargo besteht. Allerdings verletzt der EU-ansässige Exporteur damit seine aus der EU-Verordnung folgende Verpflichtung, woraus sich buß- und strafrechtliche Sanktionen für den Handelnden und das Unternehmen ergeben können. Weigert sich der EU-ausländische Abnehmer, die Klausel zu akzeptieren, darf er eben nicht beliefert werden.
Fazit: Aufgrund des Umfangs der betroffenen Güter bedarf es für Unternehmen einer eingehenden Prüfung, ob und ggf. welche Verträge von der Pflicht zur Implementierung einer „No-Russia-Klausel“ betroffen sind. Mit Blick auf drohende Sanktionen bei einem Verstoß und die vom jeweiligen Vertrag abhängigen Anforderungen einer solchen Klausel empfiehlt sich eine sorgfältige und einzelfallabhängige Formulierung des geeigneten Wortlauts.