Der (vereinfachte) Fall
Eine deutsche GmbH ließ arbeits- und energieintensive Fertigungsschritte durch eine bosnische Schwester-Kapitalgesellschaft durchführen. Diese agierte nach ihrem Funktions- und Risikoprofil grundsätzlich als Lohnfertiger für die GmbH. Die GmbH verkaufte dabei Materialien zum Selbstkostenpreis an die bosnische Gesellschaft und die Rücklieferung der Halbfertig- bzw. Fertigprodukte erfolgte gestützt auf Wertschöpfungsanalysen unter Zugrundelegung einer „Deckungsbeitragsrechnung“. Im Ergebnis blieb der bosnischen Gesellschaft aus Sicht der deutschen Finanzverwaltung jedoch insgesamt zu viel Gewinn. Ab 2013 verkaufte und lieferte die bosnische Gesellschaft auch an einen bisherigen Kunden der deutschen GmbH, da die GmbH jenem Kunden keine wettbewerbsfähigen Preise mehr bieten konnte.
Zentrale BFH-Aussagen zur Bildung von Verrechnungspreisen
Die dargestellte Konstellation gab dem Gericht Gelegenheit, zu zahlreichen Punkten Position zu beziehen. Hervorzuheben sind dabei die folgenden vier Aspekte:
Verhältnis einzelner Korrekturnormen zueinander
Zunächst stellt der BFH klar, dass die spezielle außensteuerrechtliche Korrekturvorschrift (§ 1 AStG) gegenüber anderen Vorschriften zur Korrektur von Einkünften (z.B. einer verdeckten Gewinnausschüttung (vGA)) grundsätzlich zurücktritt und nur dann und insoweit zur Anwendung gelangt, als die andere Norm zu Korrekturen in geringerem Umfang führt.
Hinweis: Diese Aussagen des BFH sind z.B. deshalb wichtig, weil an die unterschiedlichen Korrekturvorschriften verschiedenartige Rechtsfolgen geknüpft sind: So führt etwa eine vGA ggf. zur Entstehung von Kapitalertragsteuer, eine Korrektur nach § 1 AStG hingegen nicht.
Die Lohnfertigung betreffende Aspekte
Der BFH hält eine Gesamtbetrachtung einzelner Geschäftsvorfälle für möglich, wenn eine Trennung der Vorgänge dem wirtschaftlichen Gehalt nicht gerecht wird. So zieht der BFH den Rohstoffverkauf der deutschen GmbH an die bosnische Gesellschaft sowie deren Rückverkauf von Halbfertig-/Fertigprodukten an die GmbH wirtschaftlich zu einer Geschäftsbeziehung „Lohnfertigung“ zusammen.
Weiter bestätigt der BFH für den Fall der Lohnfertigung die Angemessenheit einer Verrechnungspreisgestaltung nach der Kostenaufschlagsmethode vorzugsweise unter Zugrundelegung von Plankosten, wobei die Kosten des (wirtschaftlich vom Auftraggeber) beigestellten Materials als nicht wertschöpfende Kosten nicht in die Kostenbasis einfließen.
Schließlich verwirft der BFH eine Schätzung der Gewinnaufschläge mittels „allgemeiner Erfahrungssätze“ oder aufgrund von „Internetrecherchen“. Er fordert stattdessen die Heranziehung von Unternehmen mit vergleichbarem Funktions-/Risikoprofil bzw. vergleichbarer Branche.
Empfehlung: Wenngleich das BFH-Urteil in Bezug auf die genannten Details zur Lohnfertigung grundsätzlich keine durchgreifend neuen Erkenntnisse enthält, sorgt es insoweit doch für eine sicherere Argumentations- und Gestaltungsgrundlage. Besonders zu beachten ist, dass der BFH in seinem Urteil den erwähnten pauschalen Schätzungen mittels „allgemeiner Erfahrungssätze“ u.Ä. klare Absagen erteilt. Damit dürfte in der Praxis die Bedeutung von Datenbankstudien auch für kleinere und mittlere Unternehmen weiter steigen.
Reiner Materialverkauf
Soweit ab 2013 die von der GmbH gelieferten Materialien seitens der Auslandsgesellschaft nicht für ihre Lohn-, sondern für die Eigenfertigung (d.h. zum Zweck des anschließenden Verkaufs an den erwähnten Drittkunden) verwendet wurden, hält der BFH einen Aufschlagsatz von 5% auf die Selbstkosten für nicht zu beanstanden. Allerdings darf daraus nicht generell für den Materialeinkauf zugunsten Dritter auf die Angemessenheit eines 5%-Aufschlags auf die Selbstkosten geschlossen werden. Der BFH weist vielmehr darauf hin, dass im Urteilsfall die durch höhere Stückzahlen generierten Einkaufsvorteile (nahezu) vollständig bei der deutschen GmbH verblieben sind.
Hinweis: Der 5%-Aufschlag wird daher offensichtlich (nur) vor diesem Hintergrund akzeptiert, während zumindest ansonsten auch höhere Aufschläge infrage kämen bzw. nötig wären.
Eventuell lizenzpflichtige Kundenüberlassung
Ferner hält es der BFH im beurteilten Fall für denkbar, dass die bosnische Gesellschaft ihrer deutschen Schwestergesellschaft eine Lizenzgebühr für die Vermittlung des ab 2013 aus Bosnien-Herzegowina belieferten Kunden hätte zahlen müssen. Der BFH konnte dies jedoch nicht entscheiden, sondern hat den Fall insoweit an das FG München zurückverwiesen.
Mehr zum Thema: Neben den erwähnten Aspekten beinhaltet das BFH-Urteil verschiedene Aussagen u.a. zum Thema der Funktionsverlagerungen. Auf die Darstellung dieser Punkte haben wir hier allerdings aus Vereinfachungsgründen verzichtet.
Hinweis: Das Urteil verdeutlicht in verschiedener Hinsicht, dass bei grenzüberschreitenden Geschäftsvorfällen insbesondere dann, wenn Veränderungen des Sachverhalts im Zeitablauf vorgenommen werden, erhöhte Wachsamkeit in Bezug auf eventuell damit verbundene steuerliche Belastungen geboten ist. Dies gilt selbst dann, wenn – wie im Urteilsfall von der GmbH vorgebracht – die Fortführung des Geschäfts aus dem Inland heraus nicht wirtschaftlich tragbar gewesen wäre.