24.05.2023 / Artikel aus PKF Nachrichten 06/2023
von RA/StB Frank Moormann

Die Ausschlagung eines Erbes kann nicht nur dann in Betracht kommen, wenn eine Haftung für die Schulden des Verstorbenen vermieden werden soll. Unter Umständen können durch eine Ausschlagung auch sinnvolle Korrekturen an der eingetretenen Erbfolge vorgenommenen werden (sog. „lenkende Erbausschlagung“). Sofern man sich jedoch über die neue Erbfolge irrt, kann dies sehr ärgerliche und nicht revidierbare Folgen haben.

Sachverhalt : Lenkende Erbausschlagung

An eine „lenkende Erbausschlagung“ dachten auch die Kinder des verstorbenen Vaters in einem aktuellen Urteilsfall. Sie schlugen die Erbschaft in der Annahme aus, dadurch ihre verwitwete Mutter zur Alleinerbin und zur Alleineigentümerin der von ihr bewohnten Wohnung zu machen. Denn im Fall der Erbausschlagung gilt der Erbanfall von vornherein als nicht erfolgt und die Erbfolge gestaltet sich so, als wenn der Ausschlagende beim Erbfall nicht gelebt hätte.

Dabei übersahen die Beteiligten allerdings, dass der Vater noch – ihnen unbekannte – Halbgeschwister hatte, die sodann gem. gesetzlicher Erbfolge anstelle der Kinder zu Erben geworden waren – und nicht deren Mutter, wie eigentlich geplant. Unter Hinweis auf diesen Irrtum erklärte ein Sohn des Verstorbenen die Anfechtung seiner Ausschlagungserklärung und beantragte die Ausstellung eines Erbscheins, der ihn und seine Mutter als Erben zu je ½ ausweisen sollte.

Entscheidung: Keine Anfechtung der Ausschlagungserklärung

Das Nachlassgericht hatte diesen Antrag jedoch abgelehnt, weil es sich lediglich um einen unbeachtlichen Motivirrtum gehandelt habe, der keine Anfechtung der Ausschlagung rechtfertige. Der BGH hat diese Auffassung nun mit Beschluss vom 22.3.2023 (Az.: IV ZB 12/22) bestätigt und damit eine lange Zeit umstrittene Rechtsfrage geklärt. Der Irrtum über die konkrete Person, die nach dem Wegfall in die Erbfolge eintritt, ist nur ein Irrtum über eine mittelbare Nebenfolge der Ausschlagungserklärung und berechtigt nicht zur Anfechtung. Damit spielte es diesem Fall auch keine Rolle, ob der Sohn von der Existenz der Halbgeschwister Kenntnis hatte oder nicht. 

Empfehlung

Erben, die eine Erbausschlagung in Erwägung ziehen, ist daher dringend anzuraten, sich nicht nur über den Bestand des Nachlasses und eine etwaige Überschuldung einen Überblick zu verschaffen, sondern auch über die Verwandtschaftsverhältnisse und die Ersatz-Erbfolge.

Viel Zeit bleibt Ihnen dafür nicht, denn eine Ausschlagung kann nur binnen sechs Wochen ab Kenntnis von dem Erbanfall erfolgen. Sie bedarf einer Erklärung gegenüber dem Nachlassgericht, entweder zu Protokoll des Gerichts oder in öffentlich bzw. notariell beglaubigter Form. 

Hinweis: Mitunter kann eine Erbausschlagung auch unter erbschaftsteuerlichen Gesichtspunkten sinnvoll sein. Zu denken ist etwa an das beliebte „Berliner Testament“, bei dem sich die Eheleute zunächst gegenseitig als Alleinerben einsetzen. Hier kann es Steuervorteile bringen, wenn der überlebende Ehegatte doch das Erbe ausschlägt und Vermögen direkt auf die Kinder übergeht. Ansonsten würde deren Freibetragsvolumen nach dem Erstversterbenden ungenutzt verpuffen. Da die Ausschlagung auch gegen Abfindung erfolgen kann, besteht hier durchaus Gestaltungspotential.

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