Begriff Bauleistung
Unter Bauleistungen werden grundsätzlich alle Leistungen verstanden, die der Herstellung, Instandsetzung, Instandhaltung, Änderung oder Beseitigung von Bauwerken dienen. Zur Beantwortung der im Einzelfall regelmäßig auftretenden Frage, welche Arbeiten als Bauleistungen einzustufen sind, ist das Merkblatt des Bundeszentralamts für Steuern zum Steuerabzug bei Bauleistungen (StAb-Bau-Merkblatt 2022) eine erste praxistaugliche Hilfestellung (abrufbar auf der Homepage des Bundeszentralamts für Steuern).
Der BFH hatte mit Urteil vom 7.11.2019 (Az.: I R 46/17; Verfassungsbeschwerde unter 2 BvR 1392/20 anhängig) festgelegt, dass der Begriff des ‚Bauwerks‘, an dem die Bauleistung ausgeführt wird, weit auszulegen ist. Das BMF hat dies in seinem Schreiben vom 19.7.2022 (BStBl 2022 I S. 1229) übernommen: Danach sind Bauwerke nicht nur Gebäude, sondern sämtliche irgendwie mit dem Erdboden verbundene oder infolge ihrer eigenen Schwere auf ihm ruhende, aus Baustoffen oder Bauteilen mit baulichem Gerät hergestellte Anlagen.
Hinweis: Demzufolge sind auch (Freiland-)Photovoltaikanlagen, Ladeneinbauten, Schaufensteranlagen, Gaststätteneinrichtungen, Lichtwerbeanlagen, Dachbegrünungen auf Bauwerken oder Hausanschlüsse durch Energieversorgungsunternehmen als Bauwerke anzusehen.
Anwendungsbereich der Bauabzugsteuer
Die Bauabzugsteuer soll das Steueraufkommen bei Bauleistungen durch die Erweiterung von Meldepflichten und den Steuerabzug an der Quelle sicherstellen. Zu diesem Zweck haben Unternehmer als Leistungsempfänger für erbrachte Bauleistungen von In- oder Ausländern einen Steuereinbehalt vorzunehmen.
Leistungsempfänger und damit Abzugsverpflichteter kann auch der Vermieter sein. Bauleistungen liegen ebenfalls i.R. der Installation/Unterhaltung von PV-Anlagen auf (Familien-)Häusern durch deren Eigentümer vor.
Auch ausländische (General-)Unternehmer, die nicht selbst als Bauunternehmer im Inland tätig sind, aber mit dem Leistungsempfänger die Leistungen der beauftragten Subunternehmer abrechnen, müssen als ausländisches Unternehmen für andere Ausländer einen Steuereinbehalt im Inland vornehmen (§ 48 Abs. 1 Satz 4 EStG). Es besteht eine Registrierungspflicht bei dem für das jeweilige Land zentral zuständigen Finanzamt (z.B. für Spanien das Finanzamt Kassel-Hofgeismar).
Ausländische Bauunternehmer haben dabei neben der Bauabzug- inkl. Ertragsbesteuerung auch die lohn- und umsatzsteuerlichen Konsequenzen im Inland abzustimmen.
Hinweis: Kein Steuerabzug hat im Privatbereich zu erfolgen, sofern z.B. ein freiberuflicher Journalist (also als Unternehmer tätig) Fliesen in seiner eigengenutzten Privatwohnung erneuern lässt.
Verfahren des Steuereinbehalts und Folgen bei Nichtabführung
Der Unternehmer hat für die erhaltene Bauleistung im Inland einen Steuereinbehalt von 15% vom Bruttorechnungsbetrag (Entgelt zzgl. Umsatzsteuer abzgl. Skonto) vorzunehmen und bis zum 10. des Folgemonats an das Finanzamt anzumelden und abzuführen. Entscheidend ist der Zeitpunkt der Bezahlung durch den Leistungsempfänger; der Zufluss beim leistenden Bauunternehmer oder der Zeitpunkt der Abrechnung über die Bauleistung sind nicht maßgeblich. Bei An- oder Abschlusszahlungen muss bereits unmittelbar ein Einbehalt vorgenommen werden.
Geschieht die Anmeldung nicht fristgemäß, kann ein Verspätungszuschlag die Folge sein; erfolgt die Zahlung nicht fristgemäß, können Säumniszuschläge festgesetzt werden. Bei Nichtabgabe der Steueranmeldung kann der Leistungsempfänger im Inland per Haftungsbescheid in Anspruch genommen werden und es können sich buß-/strafrechtliche Konsequenzen infolge der Nichtabgabe ergeben, da die Anmeldung der Bauabzugsteuer einer Steueranmeldung gleichgestellt ist.
Hinweis: Ob die erbrachten Bauleistungen als Einkünfte in Deutschland steuerpflichtig sind, spielt für die Bauabzugsteuer grundsätzlich keine Rolle, so der BFH in seinem o.g. Urteil vom 7.11.2019.
Befreiung vom Steuerabzug
Eine Befreiung vom Steuerabzug greift in Fällen der sog. Kleinvermietung ausschließlich bei Wohnungsvermietung von nicht mehr als zwei Wohnungen. Bei mehr als zwei vermieteten Wohnungen ist kein Steuereinbehalt vorzunehmen, sofern die erhaltenen Bauleistungen pro Kalenderjahr nicht mehr als 15.000 € betragen. In allen anderen Fällen greift die Bagatellgrenze von 5.000 €.
Der in der Praxis häufigste Fall der Befreiung vom verpflichtenden Steuerabzug ist die Vorlage einer Freistellungsbescheinigung durch den leistenden Bauunternehmer. Bei jeder Auszahlung muss dem Leistungsempfänger eine in diesem Zeitpunkt gültige Freistellungsbescheinigung vorliegen (gut lesbare Kopie oder elektronische Übermittlung), damit keine Abzugsverpflichtung mit potenzieller Haftung besteht. Der Leistungsempfänger muss prüfen, ob die Bescheinigung auf eine bestimmte Bauleistung beschränkt und mit einem Dienstsiegel sowie einer Sicherheitsnummer versehen ist. Über deren Gültigkeit kann sich der Unternehmer auch mittels Internet-Abfrage im EIBE-Portal auf der Homepage des Bundeszentralamts für Steuern informieren.
Für die erhaltene Freistellungsbescheinigung besteht eine gesetzliche Aufbewahrungspflicht von sechs Jahren. Es ist nicht ausreichend, wenn der Leistungserbringer auf das Vorhandensein einer solchen Bescheinigung lediglich hinweist (z.B. bei späterer Rechnungsstellung).
Umsetzung im Steuerkontrollsystem
Um den Anforderungen der Bauabzugsteuer gerecht zu werden, empfiehlt es sich, diesen Prozess im Rahmen des Tax Compliance Management Systems (Tax CMS) auf Unternehmensebene abzubilden, da hier die Informationen über die erhaltene Bauleistung inkl. Auszahlung vorliegen. Diesem Tax CMS misst die Finanzverwaltung im Hinblick auf die Beurteilung von vorsätzlichem oder leichtfertigem Verhalten der Unternehmensverantwortlichen große Bedeutung zu.
Hinweis: Darüber hinaus kann ein überprüftes und durch die Finanzverwaltung im Rahmen einer Außenprüfung für wirksam befundenes Kontrollsystem dazu führen, dass dieses Prüfungsfeld zukünftig durch die Finanzverwaltung nicht mehr geprüft wird. Die Änderung trat zum 1.1.2023 in Kraft (Art. 97 § 38 EGAO im Rahmen von DAC 7).